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Nation: | Frankreich |
von Ralf Caspary
Stand: 01.08.1993
Im Jahr 1957 faßte der damalige Kritiker von „Le Monde“, Emile Henriot, die in den Editions de Minuit veröffentlichten Romane, die herkömmliche Lesegewohnheiten und literarische Maßstäbe außer Kraft setzten, unter dem Arbeitsbegriff nouveau roman zusammen. Der Terminus setzte sich durch, trotz inhaltlicher Unschärfen und trotz des Protests der so rubrizierten Schriftsteller wie Michel Butor, Alain Robbe-Grillet, Robert Pinget, Nathalie Sarraute und Claude Simon. Diese verstanden sich nämlich nicht als homogene Bewegung, und das einzig Verbindende für sie war die Forderung nach radikaler Veränderung des Romans im Sinne seiner formalen und inhaltlichen Angleichung an das „Zeitalter des Mißtrauens“ (Sarraute). Denn – so die Prämisse der Autoren des nouveau roman – der traditionelle psychologische Milieuroman à la Balzac und seine überwiegend existentialistischen Derivate im 20.Jahrhundert (Sartre) können die chaotische Struktur der modernen Welt, in der augenfällig Sinn und Sein, Subjekt und Objekt immer mehr auseinanderdriften, nicht mehr adäquat beschreiben. Sie würden vielmehr mit obsoleten, zu Ritualen erstarrten Erzählmustern die komplexe Welt verschleiern und an deren Stelle ein lügenhaftes Surrogat setzen, das dem Leser Homogenität und Sinnhaftigkeit lediglich suggeriert.
Aus dieser ...