Louise Glück

Louise Glücks Gesamtwerk ist von beeindruckender Konsistenz, insbesondere wenn man bedenkt, dass ihr Schaffen von den späten 1960ern bis in die Gegenwart reicht, also eine Zeit extremer gesellschaftlicher Umwälzungen umfasst. Diese gesellschaftlichen Umwälzungen haben in Glücks Werk deutlich weniger Spuren hinterlassen als im Werk anderer amerikanischer Autor:innen. Erwähnungen von geschichtlichen Ereignissen, sozialen Konflikten oder politischen Debatten finden sich äußerst selten, wodurch Glücks Dichtung teilweise wie aus der Zeit gefallen, aber zugleich auch zeitlos erscheint. Im Vordergrund ihres Werks, das Neo-Konfessionalismus mit Anklängen an philosophische Dichtungstraditionen verbindet, stehen meist Individuen, die die Welt um sich herum und sich selbst in Relation dazu schonungslos betrachten.

Die Sprecher:innen in Glücks Gedichten befinden sich in unterschiedlichen Lebenslagen und -phasen und sehen sich hierdurch mit verschiedenen grundlegenden Aspekten des Menschseins konfrontiert. In den allermeisten Texten überwiegen die düsteren Facetten des menschlichen Daseins. Wo zwischenmenschliche Beziehungen thematisiert werden, sind diese häufig von Enttäuschungen, Verletzungen oder Verlusten geprägt. Glücks psychoanalytisch aufgeladene, ausgefeilt poetische Sprache nähert sich scheinbar dem Umgangssprachlichen und ist dabei in der Regel völlig unsentimental und nüchtern, gelegentlich aber auch durch eine ...